Erhöhtes Risiko zur Gewaltbereitschaft
Unter Alkoholeinfluss verlieren viele Menschen die Kontrolle
Jährlich geschehen in Deutschland etwa 800 Tötungsdelikte, bei denen die Täter unter Alkoholeinfluss stehen. Rund 80.000 schwere oder gefährliche Körperverletzungen werden begannen, bei denen auf Seiten der Täter ebenfalls Alkohol im Spiel war. Oft sind die Opfer aus dem engen Umfeld. Aber auch Mittrinker im Umfeld von Lokalitäten lassen ihrer Gewaltbereitschaft freien Lauf

Eine Erklärung, warum ein Mensch gewalttätig wird und ein anderer nicht, gibt es nicht, denn die Ursachen dafür sind unterschiedlich. Eindeutig ist, dass Alkohol das Risiko erhöht, Gewalttäter oder auch Gewaltopfer zu werden. Laut Informationen der Polizei, ist bei gut einem Drittel der Gewalttaten Alkohol mit im Spiel. Die körperliche und psychische Gewalt reicht von Beschimpfungen, sexuellen Übergriffen bis zur Körperverletzung, die in vielen Fällen auch zum Tod führen kann. Und oftmals geschehen sie innerhalb der Familie.
Der übermäßige Genuss von Alkohol führt dazu, dass im Gehirn bestimmte Botenstoffe vermehrt ausgeschüttet werden. Einer dieser Botenstoffe beeinflusst das Verhalten und schränkt die Kontrolle ein. Man ist nicht mehr fähig richtig zu handeln und zu urteilen, Probleme zu lösen, Gefühle zu verarbeiten und Impulse zu kontrollieren. Das limbische System, eine Funktionseinheit des Gehirns, gewinnt gleichzeitig an Einfluss. Hier entstehen Gefühle wie Lust, Angst oder Wut. Gesten und Signale können falsch verstanden werden, so dass sich ein Mensch unter Alkoholeinfluss sich zum Beispiel bedroht fühlt, dementsprechend handelt und ein enthemmtes Gefühl entwickelt.
Eine Studie des Familienministeriums ergab, dass etwa ein Viertel der Frauen in Deutschland seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche bzw. sexuelle Gewalt durch ihre Lebenspartner erleben mussten. In vielen dieser Fälle sind die Täter alkoholisiert. Mehr als die Hälfte der Männer, die gegenüber ihrer Partnerin gewalttätig wurden, standen unter Alkoholeinfluss. Bei zwei Dritteln dieser Männer gab es sogar schwere körperliche Gewalt und sexuelle Übergriffe. So ergab eine Studie, dass Männer mit erhöhten Alkoholkonsum doppelt so oft körperliche Gewalt gegenüber ihrer Partnerin ausübten, als Männer ohne erhöhten Alkoholkonsum.

Gefährlich ist es auch, dass Menschen die immer wieder gedemütigt oder misshandelt werden, selbst alkoholabhängig werden können. Denn sie trinken oftmals Alkohol wie ein Medikament, um sich zu beruhigen und die Angst zu unterdrücken.
Etwa 2,65 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wachsen in Deutschland in suchtbelasteten Familien auf. Direkt oder indirekt erlebt etwa ein Drittel dieser Kinder Gewalt. Sie müssen miterleben, wie ihre Mütter oder Geschwister bedroht und verletzt werden oder sie sind selbst Opfer körperlicher und sexueller Gewalt. Dadurch sind diese Kinder gefährdet, später einmal selbst zu Tätern zu werden. Das Risiko, später selbst alkoholabhängig zu werden, ist bei Kindern aus suchtbelasteten Familien bis zu sechsmal höher, als bei Familien ohne Alkoholkonsum.
Schülerbefragungen ergaben, dass etwa vierzig Prozent aller Schülerinnen und Schüler in ihrem Leben mindestens einmal Opfer einer Gewalttat wurden, zehn Prozent waren schon einmal selbst Täter. Und fast immer ist dabei Alkohol im Spiel. So ergaben zahlreiche Studien, dass Jugendliche unter Alkoholeinfluss mehr Gewalt ausüben, als Jugendliche, die gar kein oder nur wenig Alkohol konsumieren.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung fand bei einer Befragung bei Jugendlichen unter 12- bis 17-jährigen heraus, dass riskanter Alkoholkonsum weit verbreitet ist. Etwa 14 Prozent dieser Jugendlichen haben schon mal ein sogenanntes Rauschrinken praktiziert. Rund 38 Prozent waren es bei den 18- bis 25-jährigen. Die Gefahr, Opfer von Gewalttaten zu werden, ist bei diesen jungen Menschen wesentlich stärker ausgeprägt.
Verstöße wie Ruhestörung, Vandalismus oder Schlägereien geschehen oft unter Alkoholeinfluss. Oft sind dabei auch Jugendliche beteiligt, die vor allem bei öffentlichen Veranstaltungen auffielen. Gerade bei Veranstaltungen gibt es viele an Gewalttaten beteiligte Jugendliche, die bereits vor dem eigentlichen Ereignis alkoholisiert sind.
Quelle: BZgA
Tabufreie Debatte
Aufgrund von reduzierter Selbstkontrolle reagieren alkoholisierte Menschen in Konfrontationen viel eher gewalttätig als Menschen, die keinen Alkohol getrunken haben. Trotz besorgniserregender Befunde werden die sozialen Folgen des Alkoholkonsums in Form von Gewalthandlungen kaum in der Öffentlichkeit und Wissenschaft thematisiert. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen fordert deshalb:
- Präventive Maßnahmen müssen bereits im Kindesund Jugendalter ansetzen und problematischem Alkoholkonsum vorbeugen. Flächendeckende, kontinuierliche Kampagnen in der finanziellen Größenordnung von Alkoholwerbung sind dazu notwendig.
- Die Regelungen der bestehenden Gaststättengesetze sind durchzusetzen, wie zum Beispiel das sogenannte Apfelsaftgesetz (§ 6), das Verbot, Alkohol an Betrunkene auszuschenken (§ 20) und die Schankerlaubnis zu versagen (§ 4), wenn die Wirtin bzw. der Wirt dem Alkoholmissbrauch Vorschub leistet.
- Die Einhaltung der Jugendschutzvorschriften ist dauerhaft und kontinuierlich zu überprüfen. Verstoße sind spürbar zu bestrafen. Bei wiederholtem Fehlverhalten sind wegen erheblicher Gefährdung der Gesundheit und öffentlichen Sicherheit Verkaufs- und Ausschankgenehmigungen zu entziehen.
- Eine intensive Zusammenarbeit von Gewaltopferhilfe und Suchthilfe muss gewährleistet sein, um in der Gewalt- und in der Suchthilfe erfolgreich handeln zu können.